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Vielfalt statt Einfalt


Marburg zeigte Solidarität mit Flüchtlingen

05.07.2015 (fjh)
Trotz glühender Hitze haben am Sonntag (5. Juli) rund 150 Menschen auf dem Marktplatz mit der Universitätsstadt Marburg, dem Ausländerbeirat und den Religionsgemeinschaften ein sichtbares Zeichen für Menschlichkeit, Wertschätzung und Vielfalt gesetzt. "Vielfalt entsteht durch Zusammenhalt; Toleranz allein genügt nicht", machte Oberbürgermeister Egon Vaupel in seiner Begrüßung zur gemeinsamen Veranstaltung "Vielfalt-Stadt-Einfalt" deutlich.
"Bei uns sind Flüchtlinge ehrlich und herzlich willkommen", bekräftigte das Stadtoberhaupt. Das werde von den Bürgerinnen und Bürgern im Alltag gelebt. Auch die Stadt dokumentiere das mit ihrer Arbeit.
So sei er froh, zusammen mit Bürgermeister Dr. Franz Kahle die Betreuung und Aufnahme von jugendlichen Flüchtlingen zu einem Schwerpunkt in Marburg machen zu können. Kahle hatte sich wie Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Löwer und Dr. Thomas Spies unter den Gästen eingefunden. Ab Dezember ist Spies Amtsnachfolger von Vaupel.
Die Wertschätzung und Unterstützung füreinander in Marburg unterstrichen für die Islamische Gemeinde im Anschluss Dr. Bilal El-Zayat, für die Evangelische Allianz Alexander Hirsch, für die Katholische Pfarrgemeinde St. Peter und Paul Albert Köchling, für die Evangelische Kirche Kurhessen-Waldeck Helmut Wöllenstein, für die Jüdische Gemeinde Amnon Orbach und Monika Bunk sowie für den Ausländerbeirat deren Vorsitzende Goharik Gareyan. "Marburgs Stadtgesellschaft ist geprägt vom sozialen Miteinander", erklärte Vaupel.
"Rechte Positionen und Parolen haben bei uns keine Chance", sagte der Oberbürgermeister unter Applaus. In Marburg hätten die Nachrichten und Bilder vom Elend der Flüchtlinge eine große, ernsthafte Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst sowohl bei Kirchen, bei der Stadt, bei Vereinen, Initiativen wie auch bei vielen einzelnen Bürgerinnen und Bürgern.
"Setzen wir zusammen ein Zeichen gegen Hass, Gewalt und Ausgrenzung", forderte El-Zayat als Vorsitzender der Islamischen Gemeinde. "Unsere Religionen verbindet viel mehr als sie trennt."
42.000 Flüchtlinge pro Tag bedeuteten die gemeinsame Verpflichtung, sich um Menschen auf der Flucht, um Zugezogene verantwortungsvoll zu kümmern. "Handeln wir jetzt" bekräftigte El-Zayat. "Wenn nicht wir, wer dann?"
Jesus habe die Not der Armen, der Verlassenen, der Flüchtigen gekannt, erinnerte Hirsch als Vorsitzender der Evangelischen Allianz an die Fundamente des Christentums und an den daraus folgenden Auftrag. Es gelte, die "Sinne, die Herzen und die Häuser für Asylsuchende zu öffnen", appellierte auch sein katholischer Kollege Köchling. "Wer ein Menschenleben rettet, der rettet die ganze Welt."
Der evangelische Probst Wöllenstein fuhr fort: "Wir sind hier, damit die Lichter angehen, damit wir alle in Frieden zusammenleben. Und wir beten und trommeln, damit die wach werden, die heute Brandsätze auf Flüchtlingsheime werfen; Damit sie merken, das ist kein Weg“."
Die Situation von Flucht und Vertreibung sei immer ein Teil der jüdischen Geschichte gewesen, führten der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und Marburger Ehrenbürger Orbach und seine Stellvertreterin Bunk vor Augen. Die Situation der Flüchtlinge könne man deshalb gut nachempfinden. "Es gehört zu unseren Verpflichtungen, unsere Errungenschaften zu teilen, in unserem Handeln immer Raum für Bedürftige zu lassen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben", erklärte Orbach.
Gerade angesichts des großen Engagements vor Ort stoße die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union (EU) auf Unverständnis, kritisierte Vaupel. "Die vielen tausend Toten im Mittelmeer sind doch eine moralische, eine humanitäre Bankrotterklärung", forderte Vaupel bei der rund einstündigen Veranstaltung auf dem Marktplatz ein radikales Umdenken und Handeln in der europäischen Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Wer stattdessen von "Flut" oder "Armutsflüchtlingen" spreche, gieße Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen, mahnte Vaupel eindringlich.
"Die Menschen wollen nach Europa, weil sie keine andere Wahl haben", stellte der Oberbürgermeister fest. "Sie sind auf der Flucht vor Verfolgung und Vertreibung. Ihre Heimatorte sind zerstört. Eine wirtschaftliche Grundlage für ein menschenwürdiges Leben oder gar das Überleben gibt es nicht, geschweige denn eine positive Perspektive für die Zukunft."
Seine abschließende Forderung lautete: "Die positive Einstellung gegenüber Flüchtlingen, die an vielen Orten in Deutschland und anderswo zu finden ist, muss endlich auch in der Politik der EU zum Tragen kommen." Für musikalische Begleitung auf dem Marktplatz sorgte Sama Damaszener. Aus ihrer persönlichen Flüchtlingsbiografie berichtete Hiba Sino.
pm: Stadt Marburg
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