19.04.2015 (jhn)
Ein weiteres "Theater in der Finsternis“ präsentierte das Hessische Landestheater Marburg im Historischen Schwanhof. "Sturz ins Ohr – Übungsstunde in Lichtdeprivation“ lautet der Titel des am Samstag (18. April) uraufgeführten Stücks.
In völlige Dunkelheit begibt sich der Zuschauer bei diesem neuen Werk des Liquid Penguin Ensembles. Es besteht aus Katharina Bihler und Stefan Scheib.
Die beiden Regisseure entführen den Zuschauer auf eindrucksvolle Weise in sein Hörorgan. Die Reise beginnt beim Höreindruck eines Babys im Mutterleib und führt über die Klänge des Regenwalds bis hin zum Lauschangriff in eine fremde Wohnung.
Der Zuschauer findet sich dann und wann sogar im akustischen Raum eines Marburger Ortes wieder. Überall offenbaren sich Geschichten rund ums Ohr in seiner anatomischen Beschaffenheit und zu seinen physikalischen Prozessen.
Dass sich das Publikum nicht wie gewohnt vor dem Geschehen, sondern in seiner Mitte befindet, unterstützt die faszinierende Atmosphäre. Die ausgeklügelte Anordnung der Lautsprecher und die 360-Grad-Bühne um den Zuschauerraum lassen den Zuschauer regelrecht in die Szene um ihn herum eintauchen. An manchen Stellen hat der Zuschauer sogar die Möglichkeit, selbst die Klangwelt zu erweitern.
Gerade einmal vier Darsteller, einen großen, schwarzen Raum mit einer minimalen Anzahl an Requisiten und einige Lautsprecher benötigt der "Sturz ins Ohr". Wenn dann das Licht ausgeht und sich der Zuschauer in der Finsternis hinter seinen Augen wiederfindet, entsteht mehr als nur ein Gefühl von Blindheit.
Die plötzliche Sensibilisierung des Gehörs lässt jedes Geräusch zur Ganzkörpererfahrung werden. Rauschendes Wasser, metallisches Klingen oder sogar der Lärm des Straßenverkehrs gehen ohne ihr optisches Pendant direkt unter die Haut. Das kurzweilige und mit interessanten Fakten gespickte Stück ist eine überraschend farbige Symphonie in tiefster Schwärze.
Jonas Neureither
Text 10416 groß anzeigen

www.marburgnews.de