Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Dazugehören


Soziale Wirkung von Dialekten erforscht

12.02.2015 (mok)
Die sozialen Wirkungen von Dialetkten haben Sprachwissenschaftler aus Marburg, Düsseldorf und dem englischen Bristol in einem Verhaltensexperiment erforscht. Ihre Ergebnisse haben sie am Mittwoch (11. Feburar) in der Online-Wissenschaftszeitschrift PLoS One veröffentlicht.
"Wir wissen so gut wie gar nichts darüber, wie Dialekte das Handeln von Menschen beeinflussen", sagte Professor Dr. Alfred Lameli vom Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas an der Philipps-Universität. In einem aktuellen Projekt ist der Linguist zusammen mit den Ökonomen Professor Dr. Gerhard Riener von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Professor Dr. Stephan Heblich von der Universität Bristol der Frage nachgegangen, wie Dialekte unser ökonomisches Verhalten beeinflussen.
"Ein allgemeines methodisches Problem für eine solche Untersuchung besteht darin, Menschen in ihrem konkreten Verhalten zu beobachten", legte Riener dar. "In einem kommunikativen Zusammenhang ist dies außerordentlich schwierig." Die Forscher haben daher sehr ausgeklügelte Laborexperimente durchgeführt. Mehr als 300 Teilnehmer wurden in einem Labor mit Wissens- und Logikfragen, aber auch mit mathematischen und sprachlichen Aufgaben konfrontiert.
"Der Clou: Die Probanden bekamen kein festes Gehalt, wie dies sonst bei Experimenten üblich ist, sondern konnten selbst bestimmen, auf welche Weise sie bezahlt werden wollen", sagte Heblich. Dabei mussten die Testpersonen ihre vermuteten Leistungen mit denjenigen eines Kontrahenten vergleichen, von dem sie lediglich einen sprachlichen Eindruck hatten. Dieser sprachliche Eindruck war entweder ein hochsprachlicher oder ein dialektaler.
Die Probanden konnten entweder auf einen direkten Leistungsvergleich verzichten und wurden dann nach der Anzahl ihrer richtigen Antworten bezahlt. Sie konnten aber auch ein wettbewerbliches Element nutzen. Wählten sie dies, so bekamen sie deutlich mehr Geld, sofern sie mehr richtige Antworten vorzuweisen hatten als der Kontrahent. Schnitten sie jedoch wider eigenes Erwarten schlechter oder gleich gut ab, verloren sie Geld.
"Unsere Vorgehensweise diente dazu, herausfinden, inwieweit der sprachliche Eindruck das tatsächliche Handeln der Menschen beeinträchtigt – in diesem Fall ein profitorientiertes Handeln", erläuterte Riener. Durchgeführt wurde das Experiment mit Thüringern. Die präsentierten Sprachproben waren entweder standarddeutsch, thüringisch oder bayerisch.
Das Ergebnis: Hören sie einen bayerischen Sprecher, wählen die Thüringer Teilnehmer signifikant häufig eine riskante Bezahlstrategie. Dabei verloren sie tatsächlich bisweilen Geld und erhielten dann nur eine sehr geringe Entlohnung.
"Dieser Effekt stellt sich jedoch nicht ein, wenn derselbe Sprecher die regional unmarkierte Standardsprache verwendet", sagte Heblich. Eine Sprachprobe des eigenen, thüringischen Dialekts zeitigt keinen Effekt, fanden die Forscher heraus.
Die Wissenschaftler schlossen aus ihren Ergebnissen, dass Dialekte ein spezifisches In-group- oder Out-group-Verhalten aktivieren. Identität mit der eigenen Gruppe, Abgrenzung von der anderen. Die Folgerung, dass Regionalsprachen in der Alltagskommunikation hinderlich seien, lasse sich daraus jedoch nicht ableiten.
"Auf der einen Seite vermittelt der thüringische Dialekt als In-group-Varietät zwar eine kommunikative Nähe, die im Gesprächsablauf durchaus förderlich ist", sagte Lameli. "Auf der anderen Seite eröffnet der bayerische Dialekt strategische Vorteile, die gerade in unternehmerischen Kontexten bedeutsam sein können."
pm: Philipps-Universität Marburg
Text 10209 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2015 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg