06.01.2015 (jfu)
Zwar gibt es in Marburg zur Zeit keinen Pegida-Ableger; trotzdem hat hier am Montag (5. Januar) eine sehr große Demonstration gegen die islamfeindliche Bewegung aus Dresden und ihre Nachahmer stattgefunden. Laut Polizeiangaben nahmen mehr als 3.000 Menschen daran teil.
Die Demonstranten liefen vom Hauptbahnhof aus über den Steinweg in die Oberstadt. Dort fand auf dem Marktplatz eine Kundgebung mit zahlreichen Rednern statt.
Zur Demo aufgerufen hatten zwei Medizinstudentinnen aus persönlichem Interesse: "Ich will nicht in einem Land leben, in dem gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit salonfähig ist." Das war einer der ersten Sätze auf dem Markt, die großen Applaus erhielten.
Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) betonte, dass die Demonstration nicht nur gegen, sondern vor allem für etwas stehe. Er plädierte für ein weltoffenes Marburg. So kam er zu dem Schluss: "Pegida hat in Marburg keine Chance!"
Die Landtagsabgeordnete Angela Dorn (Grüne) beklagte die Gleichsetzung von Muslimen mit gewaltbereiten Islamisten und Terroristen. So nutze Pegida den Islamismus als "Türöffner", um Fremdenhass auf die Straßen zu tragen. Der Stadtverordnete Marco Nezi (Grüne) rief angesichts dessen mit den Worten Gerhard Schröders zu einem "Aufstand der Anständigen" auf.
Die nächste Rednerin war Halise Adsan, die vor 20 Jahren aus ihrer Heimat Kurdistan nach Deutschland geflohen ist. Sie beschrieb rassistische Angriffe, die sie hier seitdem erlebt hat.
Außerdem berichtete sie von den Schwierigkeiten, die ihr Leben in einem fremden Land mit sich brachte. "Wie können Leute glauben, dass Flüchtlinge alles aufgeben, um in Deutschland ein angeblich besseres Leben zu führen?"
Dr. Hamdi Elfarra von der Islamischen Gemeinde in Marburg bedankte sich zunächst bei den Demonstrierenden, die trotz der Kälte auf dem Marktplatz ausharrten. Dann berichtete er von den Sorgen deutscher Muslime angesichts des Erfolgs von Pegida.
Elfarra betonte, dass Rassismus keine Meinung ist. Es sei nicht richtig, Flüchtlinge und Migranten für soziale Probleme in Deutschland verantwortlich zu machen: "Eine Gesellschaft ist nur so stark, wie sie ihre Minderheiten behandelt."
Die Aktivistin Malaika Bunzenthal prangerte Sprache und Symbolik der Medien an. Die ständige Rede von Fremdheit fördere ein Weltbild der Abgrenzung von diesem vermeintlich Fremden. Bunzenthal dagegen machte deutlich: "Eine Trennung zwischen deutsch und anders ist absurd."
Der evangelische Probst Helmut Wöllenstein schließlich stellte fest: "Wenn es um soziale Ungerechtigkeit geht, müssen die Dinge da behandelt werden, wo sie hingehören." Stattdessen nutze Pegida einen Sündenbock-Mechanismus, dem es sich entgegenzustellen gelte.
Die Kundgebung auf dem Marktplatz dauerte etwa eine Stunde. Danach ging die Demonstration über Wilhelmsplatz und Universitätsstraße zurück zum Hauptbahnhof.
Wohl aufgrund von Kälte und der Dauer der Veranstaltung dezimierte sich die Zahl der Teilnehmenden zum Ende hin stark. Als nach mehr als drei Stunden am Bahnhof der letzte Redner zu Wort kam, hörten nur noch etwa 50 Menschen zu.
Frank Simon warnte vor allem davor, dass die Proteste gegen Pegida sich wieder verringern. Das sei Ende Dezember in Kassel der Fall gewesen.
Dort war eine Demonstration von "Kagida" zunächst geblockt worden. Eine Woche später jedoch waren die Gegendemonstranten in der Unterzahl.
Bundesweit hat es am Montag sowohl Pegida-nahe Veranstaltungen als auch zahlreiche Gegendemonstrantionen gegeben. In Dresden ist die Zahl der Pegida-Demonstranten auf 18.000 Menschen angestiegen. Deshalb äußerten auch in Marburg mehrere Redner die Absicht, die Gegendemonstrationen hier weiterzuführen.
Johanna Fuchs
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