23.12.2014 (fjh)
Neuartige Schlafmittel haben Marburger Wissenschaftler im Visier. Gemeinsam mit US-amerikanischen Kollegen haben sie herausgefunden, wie körpereigene Moleküle beeinflusst werden können, die für Schlaflosigkeit verantwortlich sind.
Das Team hat die Struktur eines Rezeptors ermittelt, an den der Wirkstoff "Suvorexant" bindet, der erst kürzlich von der US-amerikanischen Aufsichtsbehörde als Medikament gegen Schlaflosigkeit zugelassen wurde. Der Aufbau erklärt auch, wie andere Moleküle binden, berichten die Wissenschaftler vorab in der Online-Ausgabe der Zeitschrift "Nature" von Montag (22. Dezember).
Der Schlaf ist von speziellen Hormonen abhängig. Diese "Orexine" werden von Nervenzellen im Gehirn ausgeschüttet. Orexine wirken über eigene Rezeptoren, die über das gesamte zentrale Nervensystem (ZNS) verbreitet sind.
"Unsere Kooperationspartner haben die Kristallstruktur des Rezeptors aufgeklärt, um die molekulare Basis von dessen Funktion besser zu verstehen als bisher", berichtete Dr. Peter Kolb von der
Philipps-Universität. Der Pharmazeutische Chemiker ist einer der Mitverfasser der Studie.
Die Orexin-Rezeptoren (OXR) sind in der Zellmembran verankert und leiten Wachheitssignale ins Zellinnere weiter, wenn sie stimuliert werden. Fehlt das Hormon oder dessen Rezeptor, kann dies zu krankhafter Müdigkeit führen. Stetige Stimulation führt hingegen zu Schlaflosigkeit.
Vor Kurzem erlangte ein Orexin-Gegenspieler in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) eine Zulassung als Medikament gegen Schlaflosigkeit. Dieser Wirkstoff "Suvorexant" wird unter der Bezeichnung "Belsomra" vermarktet. Die Autoren analysierten die Struktur des OX2-Rezeptors, an den Suvorexant gebunden ist. Der Wirkstoff schränkt die Beweglichkeit des Rezeptorproteins ein – dieses Molekül ist in der Zellhülle verankert und leitet Signale weiter, indem es seine Gestalt ändert, was durch Suvorexant erschwert wird.
Wie die Wissenschaftler herausgefunden haben, behält Suvorexant seine Hufeisenform bei, wenn es an den Rezeptor bindet. "Das hat uns überrascht", bekennt Kolb.
Er und sein Postdoc Dr. Juan Carlos Mobarec nutzten Computer-berechnungen, um Verbindungen zu analysieren, die in ähnlicher Weise an den Rezeptor koppeln wie das Schlafmittel. "Unsere Erkenntnisse sind geeignet, die gezielte Entwicklung von Molekülen zu erleichtern, mit denen sich die Wirkung von Orexin erzielen oder unterbinden lässt", erklärten die Autoren.
Kolb leitet eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe am Institut für Pharmazeutische Chemie der Philipps-Universität. Er ist Vorsitzender des europäischen Forschungsnetzwerks "GLISTEN" und gehört dem Marburger "LOEWE"-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie (SynMikro) an.
pm: Philipps-Universität Marburg
Text 10081 groß anzeigenwww.marburgnews.de