Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Mörderische Macht


"Caligula" von Albert Camus feierte Premiere

30.11.2014 (fjh)
"Habt Ihr Caligula gesehen?" Diese Frage stellt eine Frau den Theaterbesuchern, die im Foyer des Hessischen Landestheaters Marburg warten. Mit ihrem Rundgang durch das Publikum und unterschiedlichen Antworten der - mitunter irritierten - Theaterbesucher begann am Samstag (29. November) die Premiere des Stücks "Caligula" von Albert Camus.
Den 1938 verfassten Stoff hatte Daniel Sempf für die "Hörtheatrale" inszeniert. Die Rezitation des Texts stand dabei im Vordergrund, während Bewegungen und Agieren der Schauspieler eher zweitrangig blieben. Eine Premierenbesucherin schloss deshalb auch für längere Zeit die Augen, um sich ganz auf das Gehörte zu konzentrieren.
Seine Macht als römischer Kaiser möchte Caligula voll auskosten. Selbst der Mond soll seinen Befehlen gehorchen.
"Frei ist man immer nur auf Kosten anderer", stellt er fest. Diese Erkenntnis hat blutige Auswirkungen: Nahezu wahllos lässt der Cäsar seine Untertanen töten, wie es ihm gerade beliebt.
"Alle sind schulddig", erklärt er. Seine Logik ist die skrupellose Durchsetzung der Macht.
Dabei verachtet Caligula die feigen untertanen, die sich aus Angst um ihr Leben bei ihm anschleimen. Respekt hingegen hat er vor dem Schriftsteller, der ein Komplott gegen den Kaiser ausheckt.
Alle Rollen teilten sich Ogün Derendli, Victoria Schmidt und der Regisseur selbst. Dabei verstellten sie ihre Stimmen und mimten Greise ebenso wie Fremdsprachige. Verstärkt wurde das Ganze durch sparsam eingespielte Musik, Hall und andere Geräuscheffekte.
Gelungen ist Sempf mit seiner Inszenierung eine aufrüttelnde Auseinandersetzung mit den Grenzen von Macht, der Rolle von Logik und der Bedeutung menschlicher Emotionen. Im Entstehungsjahr des Stücks hatte Adolf Hitler in Deutschland sein Wahnsinnsregime bereits gefestigt, aber noch nicht bis zur Holocaust-Mordmaschinerie perfektioniert. Camus warnte mit "Caligula" aber bereits vor diesen Weiterungen.
Aktuell ist der Stoff allerdings immer. Vielleicht sollte man die perfide Logik des Caligula auch einmal mit den Überwachungssystemen von Geheimdiensten vergleichen und ihre Folgen kritisch bedenken.
Franz-Josef Hanke
Text 10010 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2014 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg